Zu Besuch beim Hohen Gericht

Fahrt um BVerfG nach Karlsruhe - Mündliche Verhandlung des Ersten Senats zum Bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetz (BaySchHEG)

Dank Prof. Steiner und der Organisation der USV hatten am 26./27. Mai 40 Regensburger Jurastudenten die großartige Gelegenheit, nach Karlsruhe zu fahren und das höchste deutsche Gericht "live" in einer Sitzung zu erleben.

Zunächst stand ein Besuch bei der Generalbundesanwaltschaft und dem BGH auf dem Programm. Nachdem jeder gemäß der aufgrund des Mykonos-Urteils verschärften Sicherheitsvorkehrungen einzeln gefilzt worden war, fand man sich im schalldichten, trostlos grau-braun gehaltenen Sitzungssaal 133 wieder, um den Ausführungen eines Generalbundesanwalts zuzuhören. Die Behörde der Generalbundesanwaltschaft hat ca. 200 Mitarbeiter in Karlsruhe und ca. 400 weitere in Berlin, wo sich der 5. Strafsenat des BGH befindet. Von den 90 Staatsanwälten sind ca. 1/3 Bundesanwälte, 1/3 Staatsanwälte beim BGH und 1/3 Abgeordnete aus OLGen sowie wissenschaftliche Mitarbeiter. Die Behörde gliedert sich in drei Abteilungen: zum einen die Revisionsstrafsachen, die mit z.Zt. ca. 3500 Verfahren pro Jahr den größten Teil der Arbeit ausmachen. Die zweite Abteilung ist zuständig für Terrorismus, also für Straftaten, die sich gegen die innere Sicherheit richten. Die meisten Verfahren fielen hier in den ausgehenden 70er Jahren wegen der RAF-Aktivitäten an. Heute liegt die Zahl der Terrorismusstraftaten bei ca. 130 jährlich, darunter z.B. der Anschlag auf die Lübecker Synagoge. Die dritte Abteilung befaßt sich mit Straftaten gegen die äußere Sicherheit, wie Landesverrat und Spionage. Seit 1990 gab es über 6000 Ermittlungsverfahren zur Aufklärung des Spionageapparates der DDR und innerdeutscher Spionage, von denen aber nur 100 - 120 Verfahren zur Anklage und meist auch zum Abschluß kamen. Heute stehen wissenschaftliche und wirtschaftliche Spionage im Mittelpunkt, und dabei insbesondere die Nachrichtendienste der Nachfolgestaaten der Sowjetunion.

Nach diesem Überblick über die Tätigkeiten der Generalbundesanwaltschaft wurden wir noch durch das Gebäude geführt. Leider hatten wir keine Gelegenheit, eine Sitzung des BGH mitzuverfolgen.

Am nächsten Morgen fanden sich alle pünktlich um 9 Uhr vor dem Bundesverfassungsgericht ein, wo wir von Prof. Steiner begrüßt wurden. Die Verhandlung selbst begann erst um 10 Uhr.

Vor und im Sitzungssaal stand die Presse schon bereit und wartete auf die "Hauptakteure" die Beschwerdeführer Andreas Freudemann und Friedrich Stapf und die Vertreterin der bay. Staatsregierung Sozialministerin Barbara Stamm. Doch auch wir wurden zur Sache interviewt. Das BVerfG sollte über eine einstweilige Anordnung gegen das BaySchHEG entscheiden. Dieses besagt in einem Teil der Regelung, daß nur mehr Fachärzte für Frauenheilkunde Abtreibungen vornehmen dürfen und die Einnahmen von Ärzten nur mehr zu 25 % aus Abtreibungen stammen dürfen; ansonsten würden sie die erforderliche behördliche Zulassung verlieren. Dieses Gesetz stellt einen Sonderweg zur bundesgesetzlichen Regelung dar, in welcher diese Kriterien nicht auftauchen. Die beiden Beschwerdeführer legten zu Beginn der Verhandlung ihre Standpunkte dar. Beide würden die Zulassung nicht bekommen und stünden vor dem finanziellen Ruin. Außerdem führen beide zusammen den Großteil der Schwangerschaftsabbrüche in Bayern durch. Würden ihre Praxen geschlossen, wäre es nicht mehr möglich, alle Abtreibungen in Bayern durchzuführen, und die Frauen müßten den weiten Weg in ein anderes Bundesland auf sich nehmen. Wer so weit gefahren sei, sei eher zum sofortigen Entschluß bereit, als die Entscheidung noch einmal zu verschieben. Außerdem verfügten die beiden Praxen über modernste Ausstattung - finanziell nur bei überwiegender Ausrichtung auf Schwangerschaftsabbrüche möglich - , um eine optimale medizinische Versorgung der Frauen zu gewährleisten. Dem hielt die bay. Staatsregierung die Verpflichtung zum Lebensschutz entgegen, ohne den Zusammenhang deutlich zu machen. Das hohe Gericht, bestehend aus drei Frauen und vier Männern, stellte oftmals sehr detaillierte Fragen und versuchte Licht hinter allgemeine Floskeln zu bringen. Dabei taten sich v.a. die Frauen hervor. Das Hauptargument der Beschwerdeführer und auch von Pro Familia war schließlich, daß ohne die Ärzte Freudemann und Stapf der Sicherstellungsauftrag, den das Bundesgesetz vorschreibt, nicht mehr zu gewährleisten sei. Dem konnte Frau Stamm nichts entgegensetzen, außer daß die Regierung davon ausginge, daß dies eben nicht der Fall sei. Sie konnte auch keine vorbeugenden Maßnahmen von Seiten der Regierung benennen. Für uns war es hochinteressant der Verhandlung, die einer Diskussion ähnelte, zu folgen. Und wir hielten auch tapfer bis zum Ende um 19.30 Uhr durch.

Am 24. Juni 1997 wurde schließlich das Urteil verkündet: Die einstweilige Anordnung erging, so daß der größte Teil des BaySchHEG am 1.Juli 1997 nicht in Kraft treten konnte. Dies begründete das BVerfG damit, daß den beiden Beschwerdeführern unverhältnismäßig große wirtschaftliche Nachteile entstehen würden und der Sicherstellungsauftrag in Bayern andernfalls nicht gewährleistet werden könne.

Über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes wird Ende des Jahres entschieden.

Fazit: Es ist für einen Juristen sicherlich ein einmaliges Erlebnis bei einer mündlichen Verhandlung vor dem BVerfG dabeizusein. Dies gilt um so mehr, wenn es sich um ein solch interessantes Thema handelt. Wir dürfen auf die endgültige Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit gespannt sein. Unser Dank gilt an dieser Stelle nochmals Prof. Steiner, der die Fahrt erst möglich gemacht hat.

B.H., H.K. 


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letzte Aktualisierung: 14. August 1997