"Absterbende Gemütlichkeit" - Die Fachschaft Jura organisiert eine Lesung mit Herbert Rosendorfer im leeren Beutel

"Die schönsten Lesungen sind die, in denen man als Lesender froh ist, noch einen Platz zu bekommen". Mit diesen Worten begrüßte Herbert Rosendorfer das Publikum, das ihn seinerseits mit tosendem Applaus empfing. Und in der Tat: Trotz heftigen Schneefalls und Verkehrschaos am Abend des 29. 11. 96 platzte der obere Saal des Leeren Beutels aus allen Nähten. Die 250 aufgestellten Stühle reichten bei weitem nicht aus, was aber niemanden davon abhielt, dennoch zu bleiben. Viele setzten sich einfach auf den Boden oder lauschten der Lesung stehend. Neben zahlreichen Studenten waren auch " Normalbürger" gekommen. Der Name Herbert Rosendorfer besitzt in Bayern eine große Anziehungskraft. Geboren 1934 in Bozen, gelangte er bereits 5 Jahre später nach München, wo er zunächst an der Akademie der Bildenden Künste und später Jura studierte. Er wurde schließlich Richter am Amtsgericht in München und ist nun am OLG Naumburg tätig. Herbert Rosendorfer ist wohl einer der wenigen Juristen, die auch in der Literatur brillieren, wobei er v.a. für seinen scharfen Witz und seinen kritischen Umgang mit der Geschichte bekannt ist. Seine Sinn für trockenen Humor stellte er gleich in seiner ersten Geschichte unter Beweis. Aus seinem neuesten Werk " absterbende Gemütlichkeit" gab er die Kurzgeschichte " Skala - Karten für Herzog Albrecht" zum Besten. Die Episode aus dem Leben des Lastwagenfahrers Horsti Prielhofers ( sie nannten ihn Wursti), der als Herzog Albrecht von Bayern Karten für die Mailänder Skala bestellt, um seiner gebildeten Geliebten zu imponieren und schließlich auch die Rolle des Herzogs spielen muß, löste im Publikum lautes Gelächter aus, während rosendorfer mit kühler, distanzierter Stimme las, was die Pointen noch besser zur Geltung brachte. Die nächsten beiden Geschichten waren der Jurisprudenz als "Zugeständnis an die Fachschaft" gewidmet. Hier zeigte sich Rosendorfer kritische Einstellung zum eigenen Fach. In "Gott und die Jurisprudenz" aus " Ich geh' zu Fuß nach bozen2 stellt er fest, daß das Wort Gott im BGB gar nicht vorkommt, und am Ende nicht Gerechtigkeit steht, sondern nur ein Urteil. Das 5. Kapitel aus ;Das selbstfahrende Bett2 schildert in grotesker Weise den Alltag eines Richters, der seine Urteilsfindung auf seinen sonstigen Terminplan (eine halbe Stunde Nickerchen muß sein, bevor es zum Mundharmonikakonzert des Sohnes geht ) richtet. Schließlich, als vorweggenommene Zugabe, weil im Saal darunter die Musik zu spielen anfing, las Rosendorfer noch die erheiternde Ballade "Rüben" - Beispiel einer sinnlosen Subventionierung. Das Publikum bedankte sich mit nicht enden wollendem Applaus und hatte nach der Lesung noch Gelegenheit, sich einige Bücher von Herbert Rosendorfer signieren zu lassen.

Fazit: Auch ein Jurist kann durchaus kritisch und unterhaltsam zugleich sein.

H.K.
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Stand: 26.2.1997, Ulf Kortstock