Wissensstädte und Fernsehlandschaften

Symposium des Bundesfachverbands Jura (BFVJ e. V.)

"Schöne neue Welt?" - Herausforderung Internet und neue Medien

vom 6. bis 8. Juni in Regensburg

Ein strahlendes Frühsommerwochenende in Regensburg - doch die Teilnehmer aus Berlin bis Köln, Passau bis Osnabrück waren nicht gekommen, um oberpfälzische Kultur zu bestaunen, sondern wollten sich zu einem der zur Zeit aktuellsten und umstrittensten Themen fortbilden: Internet und Multimedia. Knapp vierzig Studierende, darunter 18 aus Regensburg, lauschten neun Vorträge lang Fachleuten zu juristischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten der neuen Technologien.

Nach der Begrüßung der Teilnehmer begann Dietmar Flacke vom Geschäftsfeld Multimedia der Deutschen Telekom in Bonn mit einer Einführung in das Thema.

Zunächst definierte Herr Flacke den Begriff Multimedia als Konvergenz von Medien, Telekommunikation, Computer und Unterhaltungselektronik. Dieses Zusammentreffen verschiedener Industriezweige stelle die eigentliche Herausforderung für den Markt dar, führte er aus. Für die Telekom bedeute dies, daß sie sowohl im Bereich Telekommunikation (Internet), als auch Medien (Kabelnetze für Rundfunk) Initiativen entwickeln müsse. Herr Flacke stellte dar, daß die Telekom in diesen Bereichen bisher für Deutschland die weitreichendsten Entwicklungen getätigt habe (t-online, weiterverzweigtes Kabelnetz), daß dieser Vorsprung jedoch schnell eingebüßt werden könnte, da die technischen Entwicklungen rasant vonstatten gingen.

In der anschließenden Diskussion wurden vor allem Probleme hinsichtlich des Standorts Deutschlands und seinem Stellenwert im internationalen Vergleich und die weitergehenden Entwicklungen im Bereich Fernsehen (digitale Kanäle, interaktive Videodienste) angesprochen.

Als nächster Referent sprach Richard Schlechter von der Generaldirektion XIII der Europäischen Kommission zum Thema "Europäische Rundfunk- und Medienrecht". Für die Europäische Kommission gebe es drei große Bereiche, in denen seit Ende der 80er Jahre im Zusammenhang mit der Informationsgesellschaft gearbeitet werde: Fernsehen, Konvergenz und elektronischer Handel.

Medienpolitische Initiativen der Europäischen Kommission zu diesen drei Gebieten gibt es viele. Hier u.a. das Grünbuch zu Jugendschutz und Menschenwürde, die Entschließung zu illegalen und schädlichen Inhalten im Internet oder die Richtlinie zur Medienkonzentration. Als Fazit kann man wohl festhalten, daß das Thema Informationsgesellschaft wegen seiner globalen Bedeutung nicht nur auf nationaler Ebene behandelt werden darf, sondern daß weitere europäischen Initiativen gefragt sind.

Nach der Mittagspause folgte der Vortrag von Karlheinz Moewes, Leiter der EDV-Beweissicherung des Polizeipräsidiums München zu strafrechtlichen Aspekten des Internet. Herr Moewes schilderte, welche Arten von Straftaten im Internet zu finden sind und, daß ein Zugriff auf die Täter meist schwierig ist. Auch den Providern kann oft keine Schuld zugesprochen werden. Grundsätzlich lehnte Herr Moewes in seinem Referat aber eine Überreglementierung des Internet ab, da die Quote von strafrechtlich relevanten Inhalten doch vergleichsweise gering sei.

Als letzter Referent für den ersten Tag des Symposiums berichtete Klaus Stoltenberg vom Justizministerium, Bonn über die aktuelle Gesetzeslage. Hierbei ging er vor allem auf das Telekommunikationsgesetz (TKG) von 1996, die Art. 1 und 2 des Informationsdienstegesetzes und den Medienstaatsvertrag der Länder ein. Schwierigkeiten bei der Gesetzgebung ergeben sich vor allem im Bereich Datenschutz (speziell hinsichtlich der ISDN-Technik). In Planung sei neben neuen Gesetzen auch ein sog. "Datenschutzaudit" (vgl. Ökoaudit), das mehr auf freiwilliger Selbstkontrolle der Anbieter und Regulierung durch die Konsumenten beruhe.

Der erste Vortrag am Samstagvormittag ("Recht auf Information": Frieder O. Wolf, MdEP, Brüssel) mußte wegen kurzfristiger Absage des Referenten leider entfallen. Statt dessen konnten die Teilnehmer eine Domführung besuchen.

So sprach Rechtsanwalt Dr. Schwerdtfeger aus München als erster Referent am Samstag über zivilrechtliche Aspekte der Internet. Auf einige spezielle zivilrechtliche Probleme des Internet ging er zu Beginn nur kurz ein. Hierunter das Urheberrecht (umstritten ist, ob "Browsen" eine Urheberrechtsverletzung darstellt), der Namensschutz (fallen Internetadressen unter den Namensschutz?) und das Recht des unerlaubten Wettbewerbs (z. B. Werbung von Ärzten im Internet).

Im allgemeinen ergeben sich die Ungewißheiten im zivilrechtlichen Bereich vor allem auf dem Gebiet der deliktischen Haftung, des Vertragsschlußes und des Schriftformerfordernisses. Diese Schwierigkeiten und den Meinungsstand machte er an mehreren Beispielsfällen deutlich Schließlich sprach Dr. Schwerdtfeger noch kurz die Schwierigkeiten auf dem Gebiet der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und des Internationalen Privatrechts an.

In der Diskussion stellte sich heraus, daß viele Probleme, die die Abgabe und den Zugang von Willenserklärungen betreffen, mit technischen Ungewißheiten verbunden sind, die schwer zu beurteilen sind.

Als nächster Referent stellte Jörg Kasper vom Verlag Recht&Praxis die Möglichkeiten der juristischen Informationssuche in Internet vor. Zunächst warf er die Frage auf, nach welchen Informationen im Internet gesucht werden kann. Juristischer Informationsbedarf wird sich wohl hauptsächlich auf Entscheidungen, Gesetzestexte, Pressemitteilungen von Gerichten und juristischen Lehrmaterial (Klausuren, Skripten) beschränken. Mit dem bereitgestellten Computer mit Netzanschluß demonstrierte Herr Kasper, wie eine solche Suche ablaufen kann. Neben den allgemeinen Informationsmöglichkeiten (Suchmaschinen, wie z.B. Altavista, Webverzeichnisse und Newsgroups), kann auch auf spezielle juristische Informationsmöglichkeiten (Mailinglisten, Diskussionsforen, Juris) zurückgegriffen werden. Als Problem sah Herr Kasper, daß viele der Angebote kostenintensiv und daher für Studenten eher ungeeignet seien.

Den Abschluß des zweiten Symposiumtages bildete der Vortrag "Fernsehen zwischen Kultur und Kommerz" von Peter Voß, Intendant des Südwestfunks. In einem etwa halbstündigen Vortrag stellte er seine Meinung zur Rolle des Fernsehens im Bereich der Bildung und Information im Zeitalter der Multimedialität dar.

Zum Thema Regulierung des Fernsehmarktes stellte er die These auf, daß Qualität - anders als bei den Printmedien - sich auf dem Gebiet Fernsehen nicht durchsetzt und daher der Markt Kontrolle von außen bedarf. Dieser These wurde aus dem Publikum Widerspruch entgegengebracht.

Die anschließende Diskussion konzentrierte sich jedoch nicht nur hierauf, sondern griff auch die Frage nach der Rechtfertigung von öffentlich-rechtlichen Sendern und Rundfunkgebühren auf. Herr Voß argumentierte hauptsächlich damit, daß nur durch die Gebühren ein staatsunabhängiges, gesellschaftlich verantwortetes Fernsehen, das wirtschaftlich unabhängig sei, möglich sei.

Nach einem angeregten Disput endete der zweite Seminartag gegen 18 Uhr.

Den Auftakt am Sonntag bildete das Referat "Gesellschaft im Wandel: Xenia, Wissensstadt am Wege der Informationsgesellschaft" von Dr. Helmuth Volkmann, wissenschaftlicher Berater der Zentralabteilung Forschung und Entwicklung der Siemens AG in München. Zunächst stellte Herr Volkmann klar, daß die Informationsgesellschaft mehr als Industriegesellschaft plus Informationstechnik sei. Das Entscheidende hieran sei das "Mehr als". Anhand der sog. "Kondratieff-Zyklen" machte Herr Volkmann deutlich, daß sich seit der Industrialisierung die technische Entwicklung in gewissen Wellen vollzogen habe, die einer eigenen Dynamik folgten. Fraglich ist nun, wie der 5. Kondratieff-Zyklus, der die Informationsgesellschaft umreißt, aussehen wird. Als in Zukunft zu befriedigendes Bedürfnis formulierte Volkmann, daß man Probleme für die Mitwelt lösen möchte (z. B. Umwelttechnik). Das "global village" jedoch, das oft als Leitbild der Informationsgesellschaft angeführt wird, ist jedoch als unrealistisch zu betrachten, da es keine Aufbruchstimmung und keine Visionen zu verbreiten vermag.

Als Zukunftsvision formulierte Volkmann, daß es Städte der Wissens (wie etwa Xenia, die gastliche) als Stätten der Begegnung geben müßte, in denen Ideen und Projekte ausgetauscht und verwirklicht werden sollen.

Den Abschluß des Symposiums bildete das Referat von Diplompsychologe Thomas Köhler aus Jena über die Gefahren der multimedialen Gesellschaft. Er stellte den Begriff der "computervermittelten Kommunikation" in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen.

Er beschäftigte sich hauptsächlich mit Folgen der Benutzung dieser Kommunikationsmittel und den Ursachen hierfür.

Grundsätzlich sah Herr Köhler die "computervermittelte Kommunikation" weniger als eine Gefahr, sondern eher als eine Veränderung in der gesellschaftlichen Kommunikationsstruktur an. Dieses wurde im Anschluß diskutiert, da einige Zuhörer diese Meinung nicht teilen wollten.

Bei einem gemütlichen Weißwurstfrühstück wurden schließlich die Erkenntnisse des Wochenendes ausgetauscht. Voll des Wissens und der Weißwürste verließen die Teilnehmer Regensburg bis zum - hoffentlich - nächsten Mal.

Catharina Retzke (1. Vorsitzende des BFVJ) 


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letzte Aktualisierung: 14. August 1997