Buchbesprechung:
kein Lehrbuch - aber vielleicht trotzdem nützlich:

Staatsrecht II - Die Grundrechte

von Prof. Dr. Albert Bleckmann

Seit Anfang des Jahres liegt beim Carl Heymanns Verlag die 4. Auflage des von Professor Albert Bleckmann verfaßten Lehrbuchs "Staatsrecht II - Die Grundrechte" vor. Laut Vorwort verfolgt es die Konzeption, zu Kernfragen der Grundrechtslehre nur die wesentlichen Auffassungen aus Rechtsprechung und Lehre vorzustellen und nur dort, wo sich auf diesem Wege keine abschließende Beurteilung finden ließ oder Bedenken des Verfassers bestanden, sollten eigene Lösungen entwickelt werden.

Auf Studenten wirken die 1200 Seiten, die der Autor zur Verwirklichung seines Vorhabens benötigt, zunächst abschreckend; wer jedoch nicht gerade ein Lehr- bzw. Lernbuch sucht, dem kann ein Blick zumindest auf einzelne Kapitel durchaus empfohlen werden.

Zum einen erklärt sich der große Umfang dadurch, daß das Thema Grundrechte universal abgehandelt wird. Der Student, der sich über die Neufassung des Asylgrundrechts informieren will wird von dem "Wälzer" genauso bedient wie die Studentin, die einen zwanzigseitigen Einblick in internationale Grundrechte wie z.B. die Europäische Menschenrechtskonvention, Grundrechte anderer bedeutender Verfassungen oder Grundrechtsphilosophie haben möchte. Dabei sind die einzelnen Kapitel jedoch so aufgebaut, daß man sie unabhängig voneinander lesen kann, d.h., das Buch bietet sehr gute Nachschlagemöglichkeiten, ohne daß eine umfassende Lektüre notwendig wäre.

Zweitens zitiert der Autor umfangreich aus Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, soweit dies zur Veranschaulichung einzelner Problemkomplexe notwendig ist. Diese Wiedergaben der Rechtsprechung sind jedoch kleingedruckt und optisch so gut abgehoben, daß sie sich überlesen lassen, sollten sie den Informationsbedarf des Lesers nicht betreffen, ohne daß er jedoch den roten Faden des Verfassers verliert.

Besonders verdient die Tatsache hervorgehoben zu werden, daß Bleckmann seinem Vorhaben gerecht geworden ist, komplexe Fragen und schwierige Theorien möglichst einfach zu behandeln - oft auch unter Einbeziehung einer groben historischen Entwicklung des wissenschaftlichen Meinungsstandes, die gerade bei komplizierten Grundrechtsproblemen wie dem Art. 14 (z.B. die Problematik Abgrenzung von Enteignung sowie Inhalts- und Schrankenbestimmung) das Verständnis erleichtern.

Schließlich ist das Buch in einem angenehmen Großdruck erschienen, der die Lesbarkeit im Vergleich zu so mach anderem Opus deutlich erhöht.

Allerdings hätte der Verlag dem Wunsch nach Übersichtlichkeit noch besser Rechnung tragen können.

Zum einen fehlen auf den unteren Gliederungsebenen Überschriften, die die Suche nach so mancher Streitfrage erleichtern könnten. Dem entsprechend oberflächlich ist Inhaltsverzeichnis. Auch vereinzelter Fettdruck wichtiger Stichwörter hätte die Überblickbarkeit verbessern können.

Zudem arbeitet Bleckmann häufig nicht mit den einschlägigen Begriffen und Schlagworten, die so manche Lehre kennzeichnen und zweifelsohne von hoher Klausurrelevanz wären; wer beispielsweise im Rahmen der allgemeinen Grundrechtslehren etwas über das Wesen verfassungsimmanenter Schranken erfahren möchte, sucht vergeblich nach dem "Grundsatz praktischer Konkordanz", und die "Sonderrechtslehre" zur Problematik "allgemeiner Gesetze" des Art. 5 findet ebensowenig ausdrückliche Erwähnung wie die "Wechselwirkungstheorie" des Bundesverfassungsgerichts zum gleichen Thema (letztere zumindest nicht im Kapitel zu Art. 5). Wohlgemerkt: die Theorien werden zwar behandelt, aber ihre Auffindbarkeit ist mangels Stichwort schwierig.

Ein weiteres Manko für Studierende stellt die Tatsache dar, daß der Prüfungsaufbau für Klausuren und Hausarbeiten bei der Abfassung keine Rolle gespielt hat. Dies gilt besonders für den § 12 "Grundrechtsbeschränkungen", in dem die allgemeine Systematik von Schutzbereich, Eingriff und Schranken dargestellt ist. Hier vermißt man z.B. eine deutliche Gegenüberstellung der drei Eingriffsmöglichkeiten durch Gesetzesvorbehalt, verfassungsunmittelbare und verfassungsimmanente Schranken. Statt dessen entwickelt Bleckmann seine Gedanken vom eingreifenden Gesetz aus, ohne von Anfang an deutlich hervorzuheben, worin die Legitimation eines Eingriffsgesetzes bestehen könnte.

Unter diesen Umständen kann man nur davon abraten, zum Thema Grundrechte mit Hilfe des Lehrbuchs von Bleckmann einen Lernversuch zu starten oder die Vorlesung nachzuarbeiten, aber dafür ist es auch nicht gedacht; der gute alte Pieroth/Schlink oder das Grundrechtelehrbuch von Manssen sind in dieser Beziehung eindeutig vorzugswürdig. Im übrigen erscheint bei Kosten von DM 128,-- eine Anschaffung unter normalen Umständen sowieso ausgeschlossen.

Der "Bleckmann" ist erst dann hilfreich, wenn man Wissen vertiefen möchte oder für komplizierte Probleme eine ausführliche, gut verständliche Hilfe sucht. Zu zahlreichen grundrechtlichen Streitpunkten findet sich eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem wissenschaftlichen Meinungsspektrum und der Rechtsprechung, was besonders für Hausarbeiten hilfreich sein dürfte. Schließlich sei noch auf die ausführlichen Literaturverzeichnisse zu Beginn jeden Kapitels hingewiesen, die auf dem Stand von Juli 1996 sind.

Albert Bleckmann: Staatsrecht II - Die Grundrechte

4., neubearbeitete Auflage 1997, 1215 Seiten. Kunststoff DM 128,--. Verlag Carl Heymanns

T.P. 


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letzte Aktualisierung: 14. August 1997